Seit Cottbus zum Schengenraum gehört, ist die Anreise viel entspannter, weil man auch ohne Ahnentafel einreisen darf und seinen Ariernachweis nicht ständig mitführen muss. Aber im Ernst, Cottbus ist eine wunderschöne bunte Stadt, das hätte vom Schiedsgericht nicht gesondert unterstrichen werden müssen - aber der Reihe nach.
Der USV Potsdam war vergangenen Samstag in die Perle der Lausitz gereist, um dem Cottbuser Anhang zu zeigen, dass wir mehr können als auf dem Feld stehen und Punkte dalassen.
Parallel wurde das klassische Stück "Luigis Bruder", aus der späten Schaffensperiode des bekannten postsurrealistischen Dramatikers S. Richter aufgeführt, das hier allerdings als Posse dargeboten wurde - ein künstlerisches Meisterwerk.
Die Zossener, das geriatrische Asyl für unseren, seinen sportlichen Lebensabend ausklingen lassenden "wäre er mal beim USV geblieben"-Jan, waren an diesem Tage personell nicht unbedingt mit der volleyballerischen "haute cuisine" angereist. Mit dem spielerischen Charme einer Bahnhofsvorplatzfrittenbude bekam der USV aber zumindest eine solide und verlässliche Bratwurst geliefert, die dann ordnungsgemäß portioniert wurde und ohne groß zu kauen seinen Weg in den Verdauungstrakt des Schwarzen Balletts antrat.
Dabei begann der erste Akt der Posse "Luigis Bruder", in dem die Zuschauer in den Charakter der dominant-allwissend auftretenden Herrschergestalt, die vom Künstler stets als "Luigis Bruder" bezeichnet wird, eingeführt wurden. Bezeichnend die Szene im zweiten Aufzug, als Luigis Bruder dem sympathischen Helden von oben herab entgegnet: "Einen Fehler zu zeigen genehmt mir nicht, suche er sich einen aus, der kleine Wicht."
Während Zossen so langsam seine Bahnen durch den Verdauungstrakt des USV zog, schickte sich der gastgebende Cottbuser VV an, das gute Geschirr für das anstehende Gelage herauszuholen. Ich kann mich nicht entsinnen, dass der USV jemals 14 Spieler auf ein Protokoll bekommen hätte. Jedenfalls fuhr der CVV ordentliche Geschütze auf, die der Bestia Negra durchaus dauerhaft Probleme hätten bereiten können. Die Verwendung des Konjuktivs verrät - es gibt da eine Einschränkung: die alte Volleyballweisheit "Ein Spiel wird in der Annahme entschieden". Das Spiel war durchaus sehenswert, eng, intensiv und auf einem guten Niveau, in dem auf beiden Seiten insbesondere die Block- und Abwehrleistung hervorzuheben sind. Nachdem der erste Satz erwartungsgemäß mit 25:21 an den USV ging, wurde der zweite Satz zum Auftakt des zweiten Aktes der künstlerischen Paralleldarbietung. Nachdem der USV zwei Satzbälle abwehren konnte und auf 23:24 herankamen, gelang es Phil nicht, innerhalb von 8 Sekunden einen Aufschlag auszuführen - im Nachhinein finde ich die Zeit auch echt knapp bemessen.
Der strahlende Held wollte nun gerne den Aushilfs-Luigi um Aufklärung bitten, als Luigis Bruder sich einmischte und mit der freundlich formulierten Bitte "Hau ab, du hast hier nichts zu suchen" fleißig an seiner Kompetenzüberschreitung und verbalen Eskalation arbeitete - der Auftakt zur vorläufigen Kulmination. Im Drama heißt es weiter:
Luigis Bruder: (geht zum Dorfschulzen) "Seist du nicht der Trainer, sprich! So verkündige deinem Pöbel, er möge im Zaume halten sich!
Dorfschulze: "Habe er ein Problem, so wende er sich an den Kapitän."
Luigis Bruder: (dem Dorfschulzen ans Revers greifend) "Werde er nicht frech, wenn ich hier schelt, sonst schmeiße ich ihn noch heute vom Feld."
Die Darbietung beider Schauspieler war in dieser Szene hervorragend, und wurde von der Presse in den höchsten Tönen gelobt. Der für S. Richter typische Surrealismus brach sich nun Bahn, als der USV Potsdam aufgrund eines Spielerwechsels beim Cottbuser VV eine Verwarnung wegen Verzögerung erhielt. Eine herrliche Inszenierung. Die Äußerung des strahlenden Helden: "Ich verstehe nicht, warum man in ein so tolles Spiel so eine unnötige Schärfe reinbringen muss" wurde dann vom Aushilfs-Luigi als "Schnarchnase" und Schiedsrichterbeledigung gedeutet, so dass die Farbpalette um eine schöne Herbstfarbe erweitert wurde.
Bis dahin war dieser dritte Satz ein absolut hochklassiges Spiel auf Augenhöhe, in dem Cottbus stets knapp führte. Nun gelang es ihnen, sich auf 20:17 abzusetzen, doch das Feuer beim USV war jetzt erst richtig geschürt, so dass die Schwarze Bestie aus Golm einen 7:0 Lauf hin-, und Cottbus völlig zerlegte. Übrigens, die Krönung des Surrealismus: Krauti sagt in der Satzpause: "Wir bleiben jetzt alle ganz ruhig und sagen gar nichts mehr."
Den Heroen aus Golm gelang nun die totale Zerstörung des Gatgebers. Völlig gebrochen wechselten sie munter durch den B-Kader, der vom angestachelten USV nach Strich und Faden mit allen Kabinettstückchen vorgeführt wurde. Mit 25:21, 23:25, 25:21 und 25:15 obsiegte das Schwarze Ballett am Ende völlig verdient.
Die nächste Aufführung von "Luigis Bruder" findet dann hoffentlich ohne das Ensemble des USV statt, sonst wird die Posse zur Tragödie.
Nach den ersten beiden Spielen hätten wir tatsächlich nicht gedacht, dass man gegen Zossen mehr als drei Sätze spielen kann, aber in Cottbus wird auch das Unmögliche möglich - Danke für 5 bierenstarke Sätze.